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Geothermie (VDI-Magazin)

Hamburger Bezirksverein e.V.


Magazin "Mensch & Technik" IV 2002

 


Geothermie
Stand der Technik und Untersuchungsmethoden zur Prüfung nutzungsrelevanter Gesteinseigenschaften


Das Prinzip der Geothermie ist seit langem bekannt und einfach erklärt: Heißes Wasser aus der Tiefe wird durch eine Förderbohrung an die Erdoberfläche gepumpt und dann mit Hilfe von Wärmetauschern zur Beheizung oder Stromversorgung genutzt. In einem zweiten Bohrloch, der Injektionsbohrung, wird das abgekühlte Wasser wieder in den Untergrund zurückgepumpt.

Was zunächst im Prinzip einfach erscheint erfordert jedoch eine Vielzahl von Voraussetzungen. Das Verfahren ist nur dann lohnend, wenn das geförderte Wasser eine möglichst hohe Ausgangstemperatur hat und gleichzeitig auch in ausreichender Menge vorhanden ist. Dabei ist nicht nur die Menge innerhalb der wasserführenden Gesteinsschichten wichtig, sondern vor allem die Förderfähigkeit. Dies beinhaltet konkret Fördervolumina von ca. 50.000 l pro Stunde. Eine erhebliche Wassermenge, die mit Hilfe des zweiten Bohrloches auch wieder in die Tiefe zurückinjiziert werden muss. Berechnungen zeigen, dass zwischen Förderbohrung und der Injektionsbohrung mindestens 1,5 km Abstand liegen müssen, um unerwünschte Abkühleffekte in der Tiefe zu vermeiden. Insofern sind primär die Gesteinseigenschaften in der Tiefe entscheidend für eine generelle Nutzung und Anwendung der Geothermie. Der Erkundung und Charakterisierung dieser Gesteinschichten kommt damit eine besondere Bedeutung zu.

Durch den Zerfall natürlicher, radioaktiver Isotope im Erdinnern wird Wärme erzeugt. In Abhängigkeit von der Schichtdicke der äußeren Erdkruste, der Gesteinsart und der resultierenden geothermischen Gradienten ergeben sich dadurch unterschiedliche Temperaturverteilungen in der Tiefe. Während die Erdkruste in den Alpen etwa 50 km mächtig und oberflächennah entsprechend kühl ist, liegt die Temperatur im Oberrheingraben in 100 m Tiefe bereits bei 70 °C, da hier die Kruste nur eine Mächtigkeit von 25 km aufweist.

Abb: Bohrturm in Hamburg-Allermöhe; Foto: M.Zarth, Umweltbehörde Hamburg
Abb: Bohrturm in Hamburg-Allermöhe; Foto: M.Zarth, Umweltbehörde Hamburg

Die in Norddeutschland anstehenden und geothermisch nutzbaren Sandsteine sind in 1.000 - 2.000 m Tiefe nur zwischen 40 - 70 °C warm, während bei 2.000 - 3.000 m Tiefe etwa 70 - 100 °C und über 100 °C erst in Tiefen über 3.000 m erreicht werden.

Wirtschaftlichkeitsberechnungen ergaben, dass eine geothermische Nutzung nur lohnend ist, wenn das geförderte Wasser mindestens 60 °C heiß ist. Für den norddeutschen Raum bedeutet dies somit erforderliche Bohrtiefen zwischen 2.500 - 3.000 m. Förder- und Injektionsbohrungen bis in diese Tiefenlagen stellen damit den wesentlichen Kostenfaktor eines geothermischen Heizkraftwerkes dar, zumal vor dem Abteufen einer Bohrung nicht sichergestellt werden kann, in welcher Tiefe die nutzbaren Gesteine angetroffen werden und ob das heiße, stark salzhaltige Wasser denn auch in ausreichender Menge an die Oberfläche gefördert werden kann. Als Nutzhorizonte kommen hierfür in Norddeutschland porenreiche oder auch klüftige Gesteine in Betracht.

In Südwestdeutschland werden dagegen meist heiße trockene Festgesteine im so genannten Hot-Dry-Rock-Verfahren durch Wasserzufuhr durchspült und das im Gestein erwärmte Wasser in die Geothermie-Wärmeanlagen zurückgeführt. Grundsätzlich sind auch hier geklüftete und poröse Gesteine mit möglichst hoher Permeabilität erforderlich.

Die Vorerkundung des Untergrundes durch geologische und geophysikalische Untersuchungen ist somit der erste wichtige Schritt zur Bestimmung der Lage und räumlichen Ausdehnung geothermisch nutzbarer, d.h. höffiger Gesteinsformationen.

In Norddeutschland handelt es sich meist um Sandstein-Formationen, die stratigraphisch der Erdaltersstufe des Trias zuzuordnen sind und sich innerhalb der Keuperabfolge vor etwa 200 Millionen Jahren gebildet haben. Hierzu zählen die Fein- und Mittelsandsteine aus dem Rhät sowie die Sandsteinabfolgen aus dem Mittleren Buntsandstein, der sich durch Schüttung von Sanden aus einem skandinavischem Hochgebiet vor ca. 250 Millionen Jahren im so genannten Norddeutschen Becken ausbilden konnte.

Die Auswertung geologischer Karten und seismischer Profile ergibt, dass diese Sandstein-Abfolgen in Nordwestdeutschland in ca. 2.500 - 3.000 m Tiefe auftreten. Genaue Aussagen zu Lage, Mächtigkeit, Sedimentbeschaffenheit und Nutzungsqualität lassen sich aus geophysikalischen Untersuchungen nicht immer eindeutig ableiten. Dies war der Anlass für die Umweltbehörde Hamburg bereits 1997/98 eine Machbarkeitsstudie zur Nutzung der geothermischen Energie durchzuführen. Um Bohrkosten einzusparen konnte eine bestehende ca. 2.200 m Tiefe Erdölbohrung in Hamburg-Allermöhe auf 3.305 m vertieft werden. Der nutzbare Rhät-Sandstein wurde anhand der geophysikalischen Vorprofile zunächst in einer Tiefe ab 3.000 m vermutet. Die Schichtansprache aus der Bohrung zeigte dagegen, dass die Sandsteine aus dem Oberrhät erst ab 3.111 m Tiefe angetroffen werden konnten.

Abb: Bohrtrupp beim Abteufeln der Bohrung Allermöhe; Foto: M.Zarth, Umweltbehörde Hamburg
Abb: Bohrtrupp beim Abteufeln der Bohrung Allermöhe; Foto: M.Zarth, Umweltbehörde Hamburg

Die Mächtigkeit der erbohrten Sandsteinabfolge betrug etwa 70 m und lag damit deutlich über den Mindestmächtigkeiten von 20 m, die für eine geothermische Nutzung erforderlich sind. Auch die Temperaturen des Porenwassers im Sandstein waren mit 125 °C ideal, um Heizkraft zu gewinnen. Anhand von Pumpversuchen zeigte sich jedoch, dass nur geringe Fließ- bzw. Förderraten erzielt werden konnten, weil der Porenraum des Sandsteins durch Sulfatsalze stark zugesetzt war. Diese auch als Porenraum-Zementationen oder Verkittungen bezeichneten Erscheinungen führen zu einer starken Reduzierung der Gesteinsdurchlässigkeit und begrenzen somit die für eine wirtschaftliche Nutzung erforderlichen Förderraten.

Die Porenraumverkittungen stellen ein grundsätzliches Problem bei der Nutzung von Porenspeichern dar. Auftreten und Ursache dieser Zementationen sind bislang nicht eindeutig geklärt. Angesichts der erheblichen Kosten für das Niederbringen einer geothermischen Bohrung, die dann aufgrund von Zementationen möglicherweise nicht genutzt werden kann, besteht ein hoher Forschungsbedarf zur Klärung dieses Phänomens.

Die Umweltbehörde Hamburg hat daher das Hamburger Mikroanalytik-Labor Dr. Baermann & Partner beauftragt, die Art und Verteilung sowie Ursache derartiger Salzzementationen zu bestimmen. An Bohrkernen von Sandsteinen aus verschiedenen Standorten Norddeutschlands erfolgten geochemische und mikroanalytische Untersuchungen. Ziel der Projekte war einerseits eine umfassende mineralogische und lithologische Charakterisierung des Gesteins zur Prüfung der Nutzbarmachung dieser Horizonte. Andererseits sollten auch neue zerstörungsfreie Untersuchungstechniken entwickelt und angewandt werden, um das kostbare Bohrkernmaterial gleichzeitig auch zur Bestimmung von Durchlässigkeitseigenschaften und für weitere Untersuchungsverfahren zum Speicherverhalten einsetzen zu können.

Aus der Bohrung in Hamburg-Allermöhe standen aus dem Teufenbereich zwischen 3.220 bis 3.260 m Tiefe insgesamt 40 m Bohrkerne zur Bestimmung der Gesteinseigenschaften zur Verfügung. Die einzelnen Kernabschnitte variierten zwischen 0,1 bis maximal 0,5 m Länge. Aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern lagen ebenfalls verschiedene Kernabschnitte zur Prüfung vor.

Abb: Erbohrte Sandstein-Bohrkernabschnitte in Kernkisten; Foto: Dr. Baermann & Partner, Mikroanalytik
Abb: Erbohrte Sandstein-Bohrkernabschnitte in Kernkisten; Foto: Dr. Baermann & Partner, Mikroanalytik

Die Bestimmung von Art und Ausbildung bestimmter karbonatischer und sulfatischer Zementationen sowie von Klüften oder durchlässigkeitsmindernden Toneinlagerungen in den Gesteinsproben erfolgte zunächst durch stereo- bzw. polarisationsmikroskopische Methoden.

In der Bohrung Hamburg-Allermöhe und Mecklenburg-Vorpommern liegen sulfatische Zemente in Form von Anhydrit vor, die im Porenraum des Sandsteines unterschiedlich stark auskristallisierten und in einzelnen Horizonten verschiedene Zementationsformen ausbilden.

Neben mm-großen punktuellen, inselförmigen Kristallisaten werden größerflächige Blasten bis hin zu einer vollständigen Zementation des gesamten zur Verfügung stehenden Porenraumes beobachtet. Diese Bereiche sind als nahezu undurchlässig einzustufen. Die Sulfate stammen nach isotopen-geochemischen Untersuchungen vermutlich aus Ablaugungen, die in den Randsenken von den nahegelegenen, gipshaltigen Salzstöcken (z.B. Salzstock Reitbrook) vorliegen und im Porenraum als Anhydrit sekundär ausgefällt werden. Aufgrund der Druck- und Temperaturbedingungen in 3.000 m Tiefe löst der Anhydrit das Quarz-Feldspat-Korngerüst des ursprünglichen Sandsteines dabei an und verdrängt die Silikate durch Kristallisation im Porenraum.

Abb: Zerstörungsfreie Röntgen-Tomographie an einem Bohrkern zur Darstellung von verschiedenen Anhydrit-Zementationen (hellweiß), die abrupt in nicht zementierte Bereiche übergehen (rechte Seite: dunkelgrau); Foto: Dr. Baermann & Partner, Mikroanalytik
Abb: Zerstörungsfreie Röntgen-Tomographie an einem Bohrkern zur Darstellung von verschiedenen Anhydrit-Zementationen (hellweiß), die abrupt in nicht zementierte Bereiche übergehen (rechte Seite: dunkelgrau); Foto: Dr. Baermann & Partner, Mikroanalytik

Ähnliche Zementationsverhältnisse konnten auch in Bohrungen in Schleswig-Holstein nachgewiesen werden, obwohl diese in strukturellen Hochlagen des Sandsteins niedergebracht worden sind und daher eigentlich keine Sulfat-Imprägnationen aufweisen sollten.

Feinerkörnige Sandsteine weisen teilweise nur geringe Zementationen auf, die jedoch abrupt in vollständig zementierte, nahezu porenraumfreie Sandsteinlagen übergehen können. Die Fließgeschwindigkeiten in diesen Horizonten sind äußerst gering und somit für eine geothermische Nutzung ungeeignet. Andererseits ließen sich mikroskopisch nahezu anhydritfreie Schichten erkennen, die relativ hohe Durchlässigkeitsbeiwerte aufweisen. Bei Teilzementierungen ließ sich in Durchströmungsversuchen erkennen, dass bei höheren Fließgeschwindigkeiten und abnehmender Temperatur der Anhydrit eher gelöst wird und sich dabei so genannte präferentielle Fließwege im Gestein ausbilden.

Die mikroskopischen Verfahren erfordern zeitaufwendige Dünnschliffpräparationen, die zudem noch aus dem Untersuchungsmaterial herausgeschnitten werden müssen. Der Dünnschliff bietet dabei nur eine kleinräumige, zunächst zweidimensionale Erfassung der auftretenden Verkittungs-Strukturen. Die Röntgendurchstrahlung erlaubt zusammen mit der Computer-Tomographie (CT) auch eine dreidimensionale Darstellung von bis zu 40 x 50 cm großen Flächen. Verschiedene Arten von Zementationsformen, Hohlräumen, Einlagerungen und Schichten unterschiedlicher Dichte sind damit zerstörungsfrei abzubilden.

Abb: Dünnschliffaufnahme von einem Sandstein mit hoher Porosität und geringer Verkittung in polarisiertem Licht. Gelb eingefärbt: offener, nicht zementierter Porenraum, weiß: Korngerüst des quarzitischen Sandsteins. Mikrophotogr.: Dr. Baermann & Partner
Abb: Dünnschliffaufnahme von einem Sandstein mit hoher Porosität und geringer Verkittung in polarisiertem Licht. Gelb eingefärbt: offener, nicht zementierter Porenraum, weiß: Korngerüst des quarzitischen Sandsteins. Mikrophotogr.: Dr. Baermann & Partner

In verschiedenen Bohrkernen konnten nach Durchströmungsversuchen in triaxialen Durchlässigkeitszellen verschiedene Lösungserscheinungen der ursprünglichen Anhydritzemetation großflächig sichtbar gemacht werden. Ebenso sind entsprechende Kanalbildungen und die Ausbildung der präferentiellen Fließwege mit Hilfe der CT vollständig räumlich darzustellen. Da die Tomographie keine weiteren Präparationen erfordert und zerstörungsfrei arbeitet, lassen sich nach den CT-Aufnahmen die Durchlässigkeitsversuche fortführen und erlauben darüberhinaus auch eine zeitabhängige Erfassung von Auflösungs- und Rekristallisationserscheinungen von Salzen in einer porenreichen, silikatischen Matrix und deren Auswirkungen auf die Gesteinspermeabilität.

Der direkte Nachweis von wassergesättigten Porenräumen, Hohlkanälen und Porenwasseransammlungen lässt sich zerstörungsfrei mit Hilfe einer für Festkörper adaptierten Kernspinresonanz-Messung bzw. Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) durchführen. So konnten Bereiche mit größeren Porenwasseransammlungen in einem Rhät-Sandstein sehr gut gegenüber dem wassergesättigten Korngerüstbereich abgegrenzt werden.

Mit diesen Methoden lassen sich die Hauptfließrichtungen im Porenraum von Speichergesteinen und deren Anlösung von bestimmten Zementationsformen feststellen und können damit zur Prognose einer möglichen Nutzbarmachnung geothermischer Energie in bestimmten, teilverfestigten oder klüftig-porösen Sandsteinen z.B. auch durch Injektionsmaßnahmen beitragen.

Nachdem bereits auch der Reichstag in Berlin geothermisch beheizt und gekühlt wird, wird zur Zeit in Brandenburg in Groß Schönebeck versucht, einen vorhandenen teilgeklüfteten Speicher in über 4.000 m Tiefe mit massiven Wasserinjektionen weiter aufzubrechen, um entsprechend höhere Fließraten zu erzielen. Das Vorhaben wird vom GeoForschungsZentrum (GFZ) Potsdam mit verschiedenen Projektpartnern durchgeführt und u.a. vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Das Projekt sieht vor, die geothermische Energie nicht zur Beheizung, sondern als Primärenergie für die Stromversorgung von 1.000 Wohnungen zu nutzen.

Weltweit sind geothermische Kraftwerke mit einer Leistung von 7.974 MWe zur Stromerzeugung installiert. Etwa 80 % der erneuerbaren Energien (z.B. Wind, Sonne, Gezeiten) stammen bereits aus geothermischer Energie. Die installierte Leistung geothermischer Kraftwerke beträgt weltweit 16.200 MWt, wobei der Anteil in Deutschland bei 397 MWt liegt. Die fünf größten Anlagen in Deutschland stehen in Mecklenburg-Vorpommern und Bayern.

Es ist durchaus denkbar, dass die Geothermie eine ähnliche Entwicklung nehmen könnte wie dies bei der Windkraft bereits heute der Fall ist. Sollte sich neben der Beheizung auch Strom in Geothermie-Kraftwerken gewinnen lassen, könnte der Anteil an Geothermie-Strom durchaus 5 % des bundesdeutschen Energiebedarfs decken und somit einen weiteren Beitrag zur Reduzierung der Kohlendioxid-Emission leisten.


Dr. Axel Baermann
Dr. Baermann & Partner

 

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